Vampire Tales

Jen saß im Schatten des Baumes, der in der Mitte des Schulhofes wuchs und las. Sie hörte nicht uf die Stimmen um sie herum, die Stimmen der anderen Schüler, wie sie über die Schule redeten, über Beziehungen, das Wetter. Und über sie. Vor allem die, die in ihrer Nähe standen. Ständig mussten sie sie daran erinnern, dass sie anders war als die anderen. Denn anders als sie, war Jen der einzigste Mensch an der Schule. Viele von den Schülern waren Elfen und Kobolde, Feen, Hexen, Nixen, sogar Vampire und Werwölfe, nur sie war ein Mensch.
Jen klappte das Buch zu und ging zurück ins Schulgebäude. Doch auch hier konnte sie den Stimmen nicht entkommen. Während sie über den Flur zu dem Klassenzimmer ging, in dem sie als nächstes Unterricht hatte, riefen ihr ständig die anderen Schüler etwas über den Rücken hinweg nach oder tuschelten über sie. Und ständig viel ihnen etwas neues ein. Und es gab keinen Weg, dem Horror zu entkommen.

Dean öffnete mit einen Knurren die grünlich-grauen Augen, den Blick an die kahle Decke über ihm gerichtet. Er schnaufte, blinzelte gegen das schwache Licht an und bedeckte seine Augen mit einer Hand. Seine Mitbewohner, zwei Werwölfe in seinem Alter, hatten sich wohl wieder einen Spaß erlaubt und den Rolladen einen Spalt weit geöffnet. "Mistkerle..." grummelte Dean und richtete sich auf. Er ließ den Blick durch zusammengekniffene Augen durch das vom Sonnenlicht erhellte Zimmer gleiten, wohl wissend, dass die beiden schon weg waren und warscheinlich in der Klasse saßen. Er tippte sich mit der Zungenspitze an den Eckzahn, fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar und stand schließlich auf - Schlaf würde er jetzt sowieso nichtmehr findeb, ausserdem würde es sicher bald schon dunkler werden und er könnte leichter nach draussen.
Aber ausgerechnet heute musste es ja so sonnig und heiß werden. Nicht, dass heute etwas besonderes war, jedoch war Dean gerne in der Schule, nicht des Unterrichts wegen, sondern weil er einfach beliebt war und umschwärmt wurde.
Er zog sich im gehen ein helles Shirt über den Kopf, dann entschied er sich für ein paar dunkle Jeans und eine dunkle, lockere Weste - bester Schutz gegen Sonnenlicht, aber nur wenn es wenige, schwache Strahlen waren. Er machte sich langsam fertig, ohne ein Bestimmtes Ziel zu haben, dann öffnete er die Tür seines Zimmers und trat in den düsteren Flur.
As Wohngebäude, in dem er sich befand, war extra abgedunkelt, damit die Vampire sich ausserhalb ihrer Zimmer aufhalten konnten und die Werwölfe sich beruhigten.

Jen setzte sich auf ihren Platz in der Klasse und sah auf ihre Armbanduhr. Noch zwei Minuten. Schnell kramte sie ihre Fach-Utensilien aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch. Die Lehrerin im Fach zur Lehre, Verständnis und Einkommen der jeweiligen Wesen untereinander war sehr pünktlich und sehr streng und sie konnte Jen aufs Übelste nicht leiden, ebenso wie das Fach, das sie unterrichtete. Jen nahm an das lag daran, dass sie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hat. Noch war niemand in der Klasse. Gut, die nächste Minute Ruhe.

Dean ließ den Blick kurz gleiten, dann runzelte er die Stirn beim Anblick des leeren Ganges und ging mit langsamen Schritten los. Klar, die anderen Vampire schliefen warscheinlich noch, die Werwölfe saßen längst in den Klassen und die anderen, die Elfen und was auch immer hier noch rumfleuchte, wohnten in anderen Wohnhäusern, teilweise ziemlich bepflanzten Zimmern und die Kobolde hatten sogar kleine Bäume in ihren Wohnhäusern, dagegen war dieses hier ziemlich steril, dunkel und einfach, aber zufriedenstellend und eben auf Vampire und Werwölfe angepasst.
Dean hatte die Hände in den Hosentaschen und die Weste locker über den Schultern, als er sich auf einen der Stühle im Flur setzte und die Wand gegenüber kühl anstarrte, noch eine Sache, wofür der Vampir bekannt war: Sein Blick. Dieser durchdringe, kühle aber auch laut den Mädchen unglaublich heiße Blick.
Es dauerte nicht lange, bis die Dämmerung einsetzte, die Vampire aus ihren Zimmern kamen oder man zumindest bemerkte, dass sie langsam aufwachten. Dean richtete sich auf, warf kurz einen Blick auf die Uhr, die an der Wand hing, dann trat er auf die Ausgangstür zu und betrat den Schulhof.

Es dämmerte bereits, als Jen aus der Bibliothek kam und flott zurück in Richtung ihres Wohnheims lief. Die Dämmerung war die Zeit, in der die Vampire, Werwölfe und andere Kreaturen der Nacht Unterricht hatten und denen wollte sie auf keinen Fall begegnen, was ihr bisher eigentlich immer gelungen ist. Von ihnen wusste wahrscheinlich noch keiner, dass es einen Menschen an der Schule gab und wenn es so war, dann sollte es auch so bleiben.
Nervös sah Jen sich um, ob schon jemand unterwegs war und stolperte. Verdammt!, fluchte sie still und rappelte sich wieder auf. Ihr Knie brannte leicht, sie beachtete es allerdings nicht weiter. Wahrscheinlich war genau das ein Fehler, denn so bemerkte sie nicht, dass es aufgeschürft war.

Dean blieb kurz stehen, um sich an das natürliche Licht der verschwindenden Sonne zu gewöhnen, als er ein Geräusch vernahm. Es war nicht mehr als eine Anreihung unregelmäßiger Schritte, trotzdem lenkte es die volle Aufmerksamkeit und Konzentration des Vampirs auf sich. Seine Augen öffneten sich etwas weiter, die Pupillen wurden kleiner und er schluckte, den Kopf in die Richtung aus der das Geräusch kam gerichtet. Zuerst hatte er es gehört, da roch er es auch schon. Blut. Frisches Blut. Kein Tierblut, dafür roch es nicht genug nach Metall. Menschenblut? Woher? Hatten einige seiner Artgenossen etwa illegal Jagt gemacht? Ohne ihn? Unmöglich, normalerweise war er bei solchen Veranstaltungen immer dabei, wenn er sie nicht sogar plante.
Fast lautlos trat Dean einen Schritt nach vorn, dann noch einen, bis er schließlich eine Gestalt erblickte. Ein Mädchen, dunkles Haar, helle Augen und ein leichtes, panisches Glänzen in den Augen. Sein Blick fiel auf ihre Knie und auf den minimalen Blutstropfen, der aus der Wunde quoll. Automatisch leckte er sich über die Lippen, bemerkte jedoch früh genug, dass es sich um eine Schülerin handeln musste. "Ein Mensch?! Hier?" schoss ihm durch den Kopf.

Jen klammerte sich weiterhin an ihrer Tasche fest, als sie spürte, dass sie beobachtet wurde. Sie drehte sich um, konnte jedoch niemanden sehen und lief hastig weiter. Lass noch niemanden da sein, bitte... Sie trat auf einen Stein und knickte weg. Jen zischte, dann humpelte sie eicht weiter. Warum muss das Wohnheim auch so weit weg sein? Dann sah sie es endlich. Sie hastete zur Tür, sah noch einmal zurück, dann trat sie ein. Im Gemeinschaftsraum und in der Eingangshalle brannte Licht, der Rest war verdunkelt. Jen lief die Treppen hoch und betrat die letzte Tür des Ganges. Da sich jeder weigerte, mit ihr in einem Zimmer zu wohnen, hatte sie das Dreibett-Zimmer ganz für sich allein. Sie räumte die Tasche in eine Ecke und packte die Sachen für morgen ein. Jetzt, da sie zurück in ihrem Zimmer war, fühlte sie sich um einiges ruhiger als draußen. Sie lief zum Fenster und schaute hinaus. Auch, wenn sie jetzt glaubte, sicher zu sein, war sie sich ebenso sicher, dass sie dort draußen jemand gesehen hatte.

Dean vereengte die Augen wieder zu Schlitzen, als das Mädchen sich humpelnd und so wie es aussah unwissend entfernte. Hinter ihm ging die Tür auf und ein Vampirmädchen kam heraus. Sie berührte ihn an der Schulter und flüsterte ein "Hey.", jedoch reagierte Dean nicht. Warscheinlich war es allen bekannt, dass Vampire keine Vorstellung von körperlicher Distanz hatten. Man sah dauernd irgendwelche Vampirpärchen, die keinesfalls in einer Beziehung waren, sich aber so benahmen, als ob. Typisch eben. Düster, gutaussehend und sexy - das waren Vampire. Das Mädchen strich ihm über die Wange, Dean's Gesichtsausdruck blieb aber ernst und in die Ferne gerichtet. "Nicht jetzt." antwortete er und ging dann einfach in die Richtung, in die das Menschenmädchen gegangen war. Sein Weg führte über den Schulhof, der relativ leer war, dann kam er an einem der Wohnhäuser an. Es war keinesfalls eines dieser Gewächshäuser, Dean vermutete, dass hier die Hexen wohnten, jedenfalls sah es annähernd so düster aus wie in dem Wohnhaus der Vampire.
Ohne zu überlegen schob er die Tür auf, blinzelte bei den Licht und wich sofort an die Wand zurück, die Geruchsspur trieb ihn jedoch vorran. Er schüttelte den Kopf, hob den Blick und betrat einen der abgedunkelten Gänge, dann folgte er dem Geruch nach Blut und kam an einer Wohnungstür im zweiten Stock an. Es war das hinterste Zimmer im Gang, wie praktisch, und es schien fast unbewohnt zu sein. Dean drückte die Tür auf und sah mit ernstem, leicht gehetzem Blick in das Zimmer. Am Fenster sah er sie auch schon.
Mit einer einzigen Bewegung stieß er die Tür hinter sich zu, sog die Luft ein und starrte das Mädchen an. "Nicht sofort, nicht sofort."

Jen sah noch eine Weile nachdenklich aus dem Fenster, dann sah sie durch ihr Zimmer. Sie bemerkte die Person nicht, die zu ihrem Wohnheim schlich und dieses betrat nicht, dann sah sie wieder aus dem Fenster. Sie hörte die Schritte im Flur erst, als sie ihr Zimmer betraten. Jen hob den Kopf und starrte zur Tür, wo ein gut aussehender Junge stand, vielleicht ein Jahr älter als sie und sie ansah. In seinem Blick schwang etwas mit, etwas gieriges. Sie erinnerte sich, wie sie hingefallen ist. Oh... nein... Sie sah flüchtig auf ihr Knie und zurück. Verdammt! ,,Wer bist du?", fragte sie leise. Etwas anderes viel ihr nicht ein. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie aufgesprungen, an ihm vorbei gerannt und sich irgendwo im Wald versteckt bis die Sonne aufging, jedoch fürchtete sie, dass jede Bewegung ihre letzte Stunde verkürzen würde.

Dean musterte das Mädchen von oben bis unten, scannte sie förmlich mit seinem Blick und überging ihre Frage, ohne zu antworten. Er atmete lautlos aus, schluckte und sah ihr dann für den Bruchteil einer Sekunde in die Augen, bevor sich ein Grinsen auf seine Lippen schlich und er sich wieder über die Lippen leckte. Mit einer geschmeidigen, schnellen Bewegung schnellte er auf das Mädchen zu, packte sie an den Oberarmen und drehte sich, sodass er sie aufs Bett stoßen konnte. Er sah sie noch kurz an, wobei in seinen Augen eine Art Triumph aufflackerte, dann lehnte er sich über sie, drückte ihre Hände mit seinem Gewicht neben ihren Kopf und näherte sich ihr. Wieder einmal bemerkte man, wie Vampire praktisch süchtig nach Körpernähe waren, schließlich hätte er ihr einfach seine Reißzähne in das Handgelenk schlagen können und dann wäre es vorbei gewesen. Sein Gesicht war wenige Zentimeter von ihrem entfernt, seine Augen funkelten amüsiert aber in irgendeiner seltsamen Weise auch liebevoll. "Still halten." knurrte er mit seiner tiefen Stimme. Er ließ eines ihrer Handgelenke los, zog eine kleine Klinge aus seiner Hosentasche und schnitt ihr in sekundenschnelle in die Haut auf der Innenseite der Handgelenke. Tief genug, dass sie blutete, jedoch nicht so tief, dass ihre Pulsschlagader getroffen wurde - noch war sie also keinesfalls in Lebensgefahr, es war jediglich ein Kratzer der warscheinlich nichteinmal wehtat. Bei dem Geruch wurden seine Pupillen noch kleiner. Er steckte die Klinge zurück, griff nach ihrem Handgelenk und drückte seine Lippen auf die kleine Wunde, sodass das dünne Blutrinnsal in seinen Mund floss.

Jen wollte die Frage gerade wiederholen, als der Fremde sie auch schon Packte und aufs Bett zerrte. Ein Vampir... scheiße. Sie hörte seinen Befehl, hatte jedoch nicht vor zu gehorchen. Sie wollte ihn wegschubsen, fliehen, seinen Zähnen und seinem Durst nach ihrem Blut entkommen, doch sie konnte sich nicht wehren. Sie sah die Klinge des Messers aufblitzen und spürte den Schnitt an ihrem Handgelenk. Es war nicht schlimm, doch die Angst, die leichte Panik verstärkte den Schmerz. ,,Nein... Lass los...", befahl sie kleinlaut und man sah ihr die Angst an, als er bereits ihr Blut trank. Wenn das so weitergeht, wird er... ,,Bitte hör auf..."

Dean hörte ihre leisen Worte, grinste nur und ließ ihr Handgelenk sinken. Er näherte sich wieder ihrem Gesicht, fuhr sich mit der Zunge über die auffällig glänzenden Eckzähne, dann kniff er für den Bruchteil einer Sekunde die Augen minimal zusammen. "Die werfen mich von der Schule, wenn ich sie umbringe oder unfreiwillig verwandele..." schoss ihm durch den Kopf und ließ ihn innehalten. Ein Tropfen ihres Blutes aus dem Handgelenk tropfte auf das saubere Bettlacken und versickerte dort. Dass die Tür nicht abgesperrt war, war ihm gleichgültig, warscheinlich würde sowieso niemand reinkommen. Er war jetzt nurnoch wenige Millimeter von ihrem Gesicht entfernt, da hielt er erneut inne. Jedes andere Mädchen wäre jetzt warscheinlich endglücklich, Dean so nahe zu sein, das Menschenmädchen jedoch wollte warscheinlich einfach nur weg. Verständlich.
Dean versuchte, den Gedanken abzuschütteln, was ihm jedoch nicht ganz gelang, trotzdem ließ er nicht von ihr ab. Er bewegte den Kopf zur Seite, drückte die Lippen auf ihren Hals und berührte ihre dünne, zarte Haut kurz mit den Eckzähnen, ohne sie zu beißen.

Jen blieb kurz still und beobachtete den Vampir solange, wie auch er stillhielt. Sie wartete und atmete kaum. Entweder sie hatte Glück und er hatte genug, vielleicht schmeckte ihr Blut ja nicht, oder dies war nur die Ruhe vor dem Sturm und gleich würde er seine Zähne in ihren Hals bohren und sie bis auf den letzten Tropfen Blut aussaugen. Sie sah sie; spitze, glänzende Eckzähne, bereit, sich für Blut durch alles durchzuschlagen. Jen schluckte, dann waren sie schon an ihrem Hals. Sie hielt die Luft an. Auch, wenn er noch nichts tat, jetzt war es um sie geschehen. Jen kniff die Augen zu. Auch, wenn sie noch so sehr bitten würde, jeden Augenblick würde er seine Zähne in ihren Hals schlagen und sie aussaugen, und ihr Leben dazu.

Dean hob den Kopf wieder, wobei er mit den Lippen wieder ihren Hals streifte, dann führte er ihr Handgelenk an seinen Mund und ließ noch einen Tropfen Blut in seinen Mund fließen, bevor er die Augen schloss, kurz bewegungslos verharrte und die Augen dann wieder öffnete. "Nein." sagte er zu sich selbst, wobei sein Gesicht immernoch so nah an ihrem war, dann drückte er wieder die Lippen auf ihr anderes Handgelenk, fast als würde er sie küssen - wie gesagt, Vampir-Angewohnheit. Er drückte sich von ihr ab, drehte sich ohne ein Wort um und öffnete die Tür. Ein Paar Blicke flogen ihm entgegen und ein Murmeln unter den Mädchen breitete sich aus. "Was hat Dean Winchester da drinnen getan!? Wer wohnt dort!?" Und noch andere Sachen flogen durch die Luft. Dean grinste nur, ging den Gang entlang zur Eingangshalle des Wohnhauses, dann verließ er dieses, ließ das Menschenmädchen mit den anderen neugierigen Mädchen zurück und starrte in den Himmel, dann ging er zu einer Vampirgruppe, legte die Hände um die Hüften des Vampirmädchens von eben und integrierte sich in das Gespräch, trotzdem war er unkonzentriert und musste immer wieder an das Blut des Mädchens denken.

Jen konnte sich immer noch nicht bewegen, auch nicht, nachdem der Vampir bereits das Zimmer verlassen hatte. Sie starrte wie versteinert an die Decke des Zimmers und dachte noch einmal an das, was gerade geschehen ist. Warum hatte er sie nicht gleich getötet? Was hat ihn zurückgehalten? Nach einer halben Ewigkeit richtete Jen sich auf und sah auf ihr eines Handgelenk. Es blutete fast gar nicht mehr, jedoch konnte sie noch immer den metallenen Geruch riechen. Sie fasste sich besorgt an den Hals, so als fürchtete sie, er könnte sie gebissen haben, ohne dass sie es bemerkt hatte. Doch sie konnte keine Bissspuren fühlen, er musste sich also wirklich zurückgehalten haben. Hatte er vielleicht Mitleid mit ihr gehabt? Oder kam er vielleicht in der Nacht wieder, während sie schief?

Die Stimmen von unten waren schon lange verhallt, als Jen endlich vom Fenster abließ und in ihr Bett ging. Auf ihrem Handgelenk war ein Pflaster aufgeklebt. Nachdem sie sich von dem Schock erholt hatte, hatte sie die ganze Zeit am Fenster gesessen und hinausgestarrt. Ihre Gedanken konnten einfach nicht davon ablassen. Sie hatte miterlebt, wie sie kurz an der Schwelle zum Tod stand, sie hatte einer der blutrünstigsten Mordmaschinen der Geschichte in die Augen gesehen und sie hat überlebt. Die Frage war nur: Wie lange würde es wohl noch so bleiben? Sie war sich sicher, dass er wiederkommen würde. Und dann war es extrem unwahrscheinlich, dass er sie ein zweites Mal am Leben ließ.
Jen konnte nicht schlafen. Wie könnte sie auch, wenn sie die ganze Zeit daran dachte, dass er wiederkäme, wenn sie einschlief? So blieb sie wach, die ganze Nacht, solange, bis der Himmel sich erhellte und wenig später erste Sonnenstrahlen durch die Bäume am Waldrand zu ihrem Zimmer durchschienen.

Dean war inzwischen wieder aus dem Unterricht zurückgekeht und in seinem Wohnhaus verschwunden. Die Werwölfe waren wieder draussen, bewegten sich oder jagten, einzig und allein die Vampire waren noch in dem abgedunkelten Wohnhaus. Dean grinste, als ein schwarzhaariges Mädchen ihm seitlich in den Hals biss, jedoch ohne seine Haut zu beschädigen, und dann von ihm abließ. Langsam erhellte sich die Eingangshalle und alle wichen unbewusst zurück, auch Dean zog sich in den Schatten zurück, ohne es genau zu bemerken. Die anderen Vampire schienen allesamt unwissend zu sein, dass ein Mensch diese Schule besuchte, was aber gut für Dean war, denn so konnte er sicher gehen, dass ihr Blut alleine ihm gehörte.
Nach und nach gingen die anderen auf ihre Zimmer und die Gruppe wurde immer kleiner, bis schließlich auch die schwarzhaarige ihn zum Abschied innig küsste und dann verschwand. "Mhh..." murmelte Dean und wendete sich zur Ausgangstür. Wie weit war das Wohnhaus noch gleich entfernt? 1 Minute? 2? Genau wusste er es nicht. Noch war es morgen, noch könnte er es draussen aushalten, ohne Schaden von den Sonnenstrahlen davonzutragen. Sollte er? Ja. Die Errinerung an das Blut trieb ihn an. Er öffnete die Tür, knurrte bei dem Sonnenlicht und ging dann in die Richtung, in die er gestern gegangen war. Er kniff ab und zu die Augen zusammen, schnaubte angestrengt und kam schließlich an dem Wohnhaus an. Die anderen in der etwas helleren Eingangshalle sahen ihn leicht irritiert an, jedoch grinste Dean nur schief und ließ die Fragenden bei seinem Weg nach oben zurück.
Wie gestern öffnete er die Tür, trat in das Zimmer ein und sog den Geruch ein.

Jen war mittlerweile aufgestanden und hatte sich angezogen. Die Sachen für die Schule waren ja schon gepackt, also hatte sie den Rest des Morgens frei. Müde war sie, ja, aber sie konnte jetzt nicht schlafen, auch wenn sie sich sicher war, dass der Vampir jetzt nicht mehr kommen würde. Sie nahm sich ihr Buch und setzte sich auf das Bett, als sich die Tür wieder öffnete. Verwirrt hob sie den Blick und sah ihm wieder in die Augen. Seine Augen. Die Augen des Vampirs von gestern Abend.
,,Du...", stieß sie leise hervor, dann stand sie auf, weg vom Bett. Etwas anderes viel ihr auch wieder nicht ein, außer vom Bett wegzugehen. Es war wieder genau wie vorher, nur schlimmer. Er kannte ihr Blut. Und diesmal, dass sah Jen in seinen Augen, diesmal wollte er mehr.

Dean grinste und entblößte so seine spitzen Zähne, als das Mädchen auf ihn aufmerksam wurde und zurückwich. "Keine Angst." flüsterte er, näherte sich ihr und stellte sich genau vor sie. Mit dem Finger hob er ihr Kinn an, musterte sie fast wie ein Objekt oder ein anderes Vampirmädchen, dann grinste er wieder selbstsicher. "Weißt du nicht wer ich bin?" Amüsiert schaute er zur Seite, dann wieder zurück zu ihr. "Süße, jede andere würde freiwillig sterben." Er ließ die Hand sinken, griff nach ihrem Handgelenk und sah sich den dünnen Schnitt an, den er dann mit den Lippen berührte und anschließend zurück zu dem Mädchen sah. Noch hatte er ihr Blut nicht geschmeckt, weshalb er immernoch relativ ruhig und weniger aufdringlich war, wobei es für das Mädchen befremdlich sein musste, wenn ein Fremder sie wieder und wieder küsste und ihr so Nahe war.
Er hob den Blick, lachte leise und sah sich kurz in dem Zimmer um. "Keine Mitbewohner? Wie praktisch." schoss ihm bei dem Anblick der Betten durch den Kopf und er nickte kaum merkbar. "Du hast das Pech... oder das Glück... ein Mensch zu sein, Süße." flüsterte er ihr mit seiner tiefen Stimme ins Ohr, dann legte er seine Zähne wieder zart seitlich an ihren Hals, ohne durch die Haut zu beißen.

Jen hörte ihm die meiste Zeit gar nicht zu, was möglicherweise daran lag, dass sie kaum verstand, was er meinte. Dass er ihr Handgelenk küsste ignorierte sie, durch das Pflaster konnte er ihr eh nichts daran tun... oder? Egal, er tat ja nichts. Es verwirrte sie allerdings ein bisschen, dass er sie einfach ohne weiteres 'Süße' nannte. Weiter konnte sie allerdings nicht darüber nachdenken, denn schon spürte sie wieder seine Eckzähne an ihrem Hals. Mehr als einmal fragte sie sich, warum er alles so herauszögerte. Wollte er etwa gar nicht ihr Blut, sondern ihr nur Angst einjagen? Jen stand weiterhin stocksteif da und wartete, atmete in kurzen Zügen. Wenn sie alles so machte wie gestern, sich nicht bewegen und keinen Ton sagen, dann würde er vielleicht wieder gehen. Einen Versuch war es wert, ansonsten hatte sie eh keine Chance... oder?

"So still..." dachte Dean und vertärkte den Druck auf ihrem Hals leicht, beschädigte ihre Haut jedoch noch nicht. Er hielt in der Bewegung inne und kniff die Augen zusammen, dann entfernte er sich ein paar Haaresbreiten von dem Mädchen und griff nach der Rolladenschnur am Fenster. Er ließ den Rolladen hinunter, sodass das Zimmer ziemlich düster war, man aber trotzdem als Mensch noch sehen konnte. Er stellte sich mit dem Rücken zur Tür, schubste das Mädchen wieder aufs Bett und lehnte sich wieder über sie, diesmal drückte er seine Lippen direkt auf ihre und küsste sie. "Sie sollte sich mal auflockern, bevor sie stirbt..." dachte er nur, ohne den unlogischen Gedanken länger im Kopf zu behalten. Ob das Mädchen irgendetwas über Vampire wusste, ausser das sie Blut tranken? Ob sie tagsüber etwas darüber lernten? Ob sie über die Aufdringlichkeit gewarnt wurden? Dean wusste es nicht, er wusste nur, dass das Mädchen ihren Unterricht heute wohl oder über verpassen würde.
Eine Hand hatte er seitlich an ihr Gesicht gelegt, mit der anderen Hand hielt sie ihr Handgelenk fest. "Willst du nichts sagen?" brachte er hervor und strich ihr die Haare aus dem Gesicht, dann schnitt er ihr mit der Klinge wieder in das Handgelenk, doch diesmal tiefer. Er sah ihr in die Augen, während das Blut seine Zunge benetzte.

Diesmal spürte Jen den Schmerz deutlicher als gestern Abend. Sie zuckte zusammen und funkelte ihn vorwurfsvoll an, dann holte sie Luft. ,,Warum wartest du?", fragte sie knapp. Immerhin, sie hatte etwas gesagt. Sie stieß mit der freien Hand seinen Kopf weg und zog ihr angeschnittenes Handgelenk näher an ihren Körper. Auch wenn es nicht ihr Wunsch war zu sterben, so starb sie doch lieber gleich und nicht nach endlosen Stunden des Wartens.

Dean zog die Mundwinkel nach unten, als sie ihn wegstieß. "Ich hätte doch kaum was davon, wenn ich dich direkt töten würde... Ausserdem muss ich mich nicht beeilen. Es wird niemand kommen, der dir hilft, und selbst wenn, ist das kein allzu großes Problem." Er grinste, verlagerte leicht sein Gewicht und leckte sich dann das Blut von den Lippen. "Du warst..." began er und näherte sich wieder ihrem Gesicht, bis seine Lippen ihre minimal berührten. "Zur falschen Zeit am falschen Ort." beendete er den Satz, grinste dann wieder und griff nach ihren Handgelenken. Wieder drückte er ihre Hände neben ihren Kopf auf die Matratze, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob er ihr Schmerzen zufügte oder nicht. Die Blutung ihres Handgelenks verstärkte sich und bedeckte das Bettlacken mit Blut, Dean jedoch achtete nicht darauf. Er küsste sie auf die Wange, fast liebevoll wie ein Abschiedskuss, dann näherte er sich wieder ihrem Hals. Sie hatte keine Chance, sich zu befreien, dafür war Dean zu schwer und zu stark. Er berührte ihren Hals zuerst einfach nur mit den Lippen, spürte das immer schneller werdende Pochen, dann grub er seine Zähne in die zarte Haut des Mädchens.
Das Blut strömte in seinen Mund und ließ seine Pupillen noch kleiner werden, seinen Blick noch wilder, trotzdem behielt er die Kontrolle und hielt das Menschenmädchen weiterhin unter sich fest. Er hatte noch nicht sehr fest zugebissen, verstärkte seinen Biss jedoch nach und nach. Ein paar schnelle Herzschläge lang verharrte er über ihr, dann ließ er von der Wunde ab, sah ihr in die Augen und leckte sich über die Lippen und über die Eckzähne. "Gleich ists vorbei, Süße..." sagte er mit einer Art Schnurren in der tiefen Stimme. Das Blut trotpfte auf die Matraze und lenkte wieder die Aufmerksamkeit des Vampirs auf sich. Wieder küsste er das Mädchen, diesmal auf das Schlüsselbein.

Nach kurzem Überlegen merkte Jen, dass er Recht hatte. Niemand würde ihr helfen. Sie hatte keine Freunde, oder etwas, dass man annähernd so nennen konnte. Niemand würde um sie trauern oder nur eine Träne vergießen. Aber so schlimm war es auch nicht. Auf diese Weise würde sie niemanden verletzen. Jen wurde urplötzlich aus ihren Gedanken gerissen, als der Vampir ihre Arme auf die Matratze drückte. Sie wollte versuchen, sich zu befreien, doch es hätte sowieso keinen Sinn gehabt. Sie spürte seinen Kuss auf ihrer Wange, dann hatte er auch schon seine Zähne in ihren Hals gebohrt. Überrascht riss Jen die Augen auf. Sie hatte stechenden Schmerz und baldigen Tod erwartet, stattdessen war es am Anfang beinahe wie eine Spritze. Wenig später kribbelte es, zwar nicht angenehm, aber es war besser als Schmerz. Jen sah noch, wie er wieder hochkam, sie konnte sein Gesicht wieder sehen. Diesmal um den Mund herum blutbespritzt, ein kleines Rinnsal lief ihm über die Lippe den Hals runter. Hätte sie nicht gewusst, dass es ihr Blut war, hätte sie wahrscheinlich gedacht, der Junge hätte sich stark verletzt. Sie starrte ihn noch kurz an, dann erinnerte sie ihn: ,,Du hast mir immer noch nicht gesagt, wer du bist." Es kribbelte weiterhin, und langsam fing es an zu kitzeln, Jen beachtete es jedoch nicht weiter, ebenso wenig wie die nun blutverschmierte Matratze und ihre Haare.

Dean war etwas überrascht über die Frage, nahm jedoch an, dass das Mädchen voller Adrenalin war und so noch klar denken und ordentlich reden konnte, ohne zu zittern. "Süße, ich bin Dean Winchester, enttäuscht mich, dass du das nicht wusstest." antwortete er, die Lippen immernoch leicht auf ihrem Schlüsselbein liegend. Er atmete aus, ließ eine ihrer Hände los und strich ihr die Haare aus dem Gesicht, bevor er in ihr Handgelenk biss. Normalerweise würde es nichtmehr lange dauern, bis sie sich verwandeln würde, um zu sterben hatte sie nochnicht genug Blut verloren. Er beobachtete aus dem Augenwinkel, wie das Blut ihren Arm hinablief und auf die Matraze tropfte, dann schloss er kurz die Augen, ließ das Blut in seinen Mund strömen und knurrte zufrieden. Er wollte sie nicht zum Vampir machen, er wollte jediglich noch etwas seinen Spaß haben. Nach einer kurzen Weile ließ er ihr Handgelenk fallen, beugte sich zu ihr hinab und berührte mit seinen Lippen minimal ihre, ihre Hand mittlerweile wieder neben ihrem Kopf fixiert. "Süße, du hast den schönsten Tod, den ein Mädchen sich nur wünschen kann."