Vampire Tales

Kubera schreckte hoch und drehte den Kopf zu Ambryal um. Sie musterte ihn genau und ihre Augen schienen ihn gefährlich gefangen zu nehmen. ,,N... nichts...", murmelte er, dann hob er die Hände. ,,Es ist jedenfalls nichts gefährliches, falls du das meinst." Er lachte kurz, dann verschwand der Ausdruck auf seinem Gesicht. So darf das nicht enden. Kurz sah er noch zu Jen rüber, als er plötzlich etwas wahrnahm. Er kannte dieses Gefühl, nur konnte er sich nicht daran erinnern, dass diese Präsenz so dunkel war. Selbst die Menschen könnten das fühlen, wenn sie nicht strohdumm wären. Zur selben Zeit verdunkelte sich der Himmel. Kubera stand auf und ging zum Fenster, dass er den Himmel sehen konnte. ,,Eine Sonnenfinsternis...", murmelte, während er wie gebannt in den Himmel schaute. Das Tor öffnet sich.

Ambryal nickte langsam bei Kubera's Worten. Sie kniff bei seinem nervös wirkenden Lachen die Augen leicht zusammen und öffnete den Mund, jedoch entfuhr ihr nur ein Keuchen, denn auch sie spürte die Präsens der enormen Dunkelheit. Als wollte sie ihren menschlichen Körper verlassen, stieß sie die Luft aus, dann jedoch stand sie in einer Bewegung auf, ging hinüber zum Fenster und blieb neben Kubera stehen, den ausdruckslosen Blick nach draussen gerichtet. "Die Hölle... Sie..." Ihre Augen wurden größer und hätten die Sterblichen genug Sensibilität, um ihre Flügel zu spüren beziehungswese zu sehen, so hätte man sehen können, dass diese vor Spannung vibrierten. Ohne auf den Dämon zu achten, ging sie von dem Fenster weg auf die Tür zu, ging nach draussen und richtete den Blick nach oben in den dunklen Himmel. "Ambryal. Engel des Schutzes. Schütze die Sterblichen." schallerte eine mächtige Stimme in ihrem Kopf.

Kubera reagierte nicht auf den Engel, erst als Ambryal raus trat, folgte er ihr und starrte in den Himmel. Die Sonnenfinsternis war die einzige Zeit, in der die Pforte der Hölle und der Dämonenwelt sich öffneten und deren Bewohnern den Weg frei auf die Menschenwelt ermöglichte. Doch die Hölle interessierte den Dämonen nicht sehr, was er spürte, war stärker, bekannt und grauenvoll. Nur hatte sie sich ein wenig verändert, seitdem Kubera sie das letzte Mal gespürt hatte. Ob das nun daran lag, dass er so lange Zeit in der Menschenwelt verbracht hatte, oder weil die Person, von der diese Aura kam, sehr sehr wütend war. Kubera konnte sie zwar noch nicht sehen, doch er wusste, sie waren da. Nicht wegen der Menschen. Nicht, wegen Vergeltung. Allein wegen ihm.

Jen spürte dieses Gefühl ebenfalls, nicht so stark wie die anderen beiden, aber deutlich genug. Wer auch immer da kam, er kam nicht in friedlicher Absicht, dass wusste sie. "Hoffentlich passiert dir nichts, Dean...", dachte sie besorgt und wäre am liebsten jetzt hoch zu dem Vampir gelaufen, doch oben im Zimmer schien er außer Gefahr.

Dean spürte eine leicht unangenehme Aura, schlief jedoch ungerührt weiter. Er träumte nicht, er träumte fast nie, trotzdem war sein Schlaf eher unruhig und unentspannt, eher als würde er gezwungen werden, weiterzuschlafen.

Ambryal schüttelte geschockt den Kopf, dann wand sie den Blick von dem verdunkelten Himmel ab und starrte Kubera an. "Der Hass gilt dir." sagte sie über den seltsamen Krach der vollkommenen Stille hinweg. Ihr Blick isolierte sie und ihn selbst kurz fast von dem Geschehen um sie herum, schien die Stimmen der Sterblichen deutlich abzudämpfen und ihre Bewegungen zu verlangsamen. Vollkommene Konzentration. "Er gilt dir. Flucht ist sinnlos. Entweder sie werden ich finden, oder ich tue es." Ihr Blick schein kalt und gleichzeitig gütig zu sein. "Der Himmel ist vollkommen isoliert und ich bin hier unten." Und zurück war das Chaos um sie herum.

,,Ich weiß.", seufzte Kubera. ,,Aber was du sagst ist nicht ganz richtig." Er wandte seinen Blick vom Himmel ab. ,,Sie verstehen es nicht. Und keiner versteht mich. Das macht mir nichts aus." Er drehte sich zu Ambryal um und sah ihr in die Augen. ,,Aber im Moment... wenn wir beide hier wieder rauskommen sollen, brauche ich deine Hilfe." Er wollte ihr die Hand reichen, zögerte aber noch in letzter Sekunde. Wahrscheinlich würde es brennen, wenn sie einschlug, oder aber es geschähe das unvorhersehbare. Aber so würde sie ihm vielleicht vertrauen, wenn sie sowas konnte. Er hielt ihr die Hand hin. ,,Nur für heute." "Nur um ihnen zu zeigen, dass sie nicht gewinnen werden."

Ambryal folgte seinen Bewegungen genaustens mit dem Blick, lauschte seinen Worten und versuchte, zu verstehen. Sie bemerkte seine zögernde Bewegung, schloss jedoch nichts daraus, als er ihr dann aber tatsächlich die Hand entgegenhielt, erwiederte sie den Blick des Dämons fest. Sie seufzte, atmete die Spannung aus und ergriff dann seine Hand. "Für heute." bestätigte sie und hielt seine Hand einen Moment lange fest, bevor sie ihn losließ und erneut nach oben schaute. "Ich muss die Sterblichen beschützen." murmelte sie noch, dann schüttelte sie den Kopf. Zwar galten Engel als emotionslos, doch irgendwie ging es mit Ambryal gerade durch. Sie trat einen Schritt nach hinten, den Blick kriegerisch in den Himmel gerichtet. Klar. Sie war der Engel des Schutzes, sie war geboren, um das Böse zu vertreiben, das war ihre Leidenschaft und eines der wenigen Dinge, bei denen sich wirklich ihre nicht-vorhandenen Gefühle einschalteten. "Und?!" schrie sie mit klarer Stimme nach oben. "Diese Welt liegt mir am Herzen! Ich werde sie beschützen!" Ihr Blick wurde noch kälter und edel. "BIS ZUM LETZTEN ATEMZUG!" Es schien als würde eine Flut über der Erde ausbrechen.

Kubera nickte mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. Ambryal war fest entschlossen, die Menschen zu beschützen, dass sie dafür sogar mit ihm zusammen kämpfte. Aber ob das am Ende wirklich etwas brachte, immerhin war ihr Gegner die gesamte Dämonenwelt mit ein paar ihrer Anhänger aus der Hölle. Einfach würde es nicht werden, und womöglich hatte Ambryal recht. Bis zum letzten Atemzug... Er warf ihr noch einen letzten Blick zu, dann erhob er sich in die Luft und flog in Richtung Himmel, wo sich das Tor befand. Doch da war niemand. Aber wenn sie schon auf der Erde sind, warum haben sie dann nicht Wachen vor dem Tor aufgestellt? Er wusste es schon. Sie wollten ihn zu sich locken. Aber darauf viel Kubera nicht mehr rein, er drehte sich um und flog zurück zu Ambryal. ,,Sie sind irgendwo hier.", flüsterte er ihr zu.
Die Sonnenfinsternis stärkte den Dämon auf eine ungewohnte Art und Weise. Klar, es war sozusagen die Nacht der Dämonen. Eigentlich sollte es ihm recht sein, aber Kubera war nicht erfreut über die Tatsache. Denn ihn stärkte es, Ambryal machte es aber automatisch schwächer...

Ambryal sah Kubera nach, der nach oben flog, dann richtete sie den Blick nach vorn und tastete Straßen sowie Gassen mit dem Blick ab. Es schien alles ruhig, doch das konnte es nicht sein. Es musste einen Grund geben, weshalb der Himmel so isoliert war, nichteinmal mehr die Stimmen der anderen Engel konnte sie hören, auch die Erzengel und selbst Gott waren für sie verstummt, was etwas vollkommen neues für den Engel war. Es war nun an ihr, Entscheidungen zu treffen, sie musste alleine zurechtkommen, ohne Auftrag, gefangen bei den Sterblichen. Kubera's Flüstern zog sie wieder aus den Gedanken und sie nickte, die Engelsklinge schon fest in der Hand. Zwar spürte sie, dass sie schwächer wurde, doch machte sie sich nicht viel daraus. "Lang werden sie nicht zögern, ein Engel ist ein gefundenes Opfer, meine Aura lockt sie an."

Dean schlug die Augen auf. War es Nacht? Es war dunkel, soviel wusste er, der Wecker auf dem Nachttisch jedoch sagte etwas anderes. Genervt stand er auf, zog den Rollladen hoch und blinzelte nach draussen. Sonnenfinsternis..? Und diese seltsame Spannung in der Luft. Seine goldenen Augen weiteten sich etwas und er zögerte nicht lange, bis er aus dem Zimmer heraus nach unten stürmte und sich gehetzt umsah. Zuerst erblickte er sie nicht, befürchtete schon, der Dämon hätte sie entführt, doch da saß sie, alleine, an einem der vielen Tische. Jen. Er ging auf sie zu, zog einen Stuhl neben sie und sah sie durchdringend an. "Wo ist wer? Wie gehts dir?"

Jen hob den Kopf und sah Dean mit seltsam abwesenden und trüben Blick an. Zuerst schien es, als wäre sie verstummt, dann sagte sie doch etwas. ,,Diese Energie macht müde..." Ihre Stimme klang auch so, leicht gedämpft und melancholisch, wie in Trance. Sie zeigte nur kurz mit dem Finger durch das Fenster nach draußen, wo man Ambryal und Kubera sehen konnte, dann sakte sich auf dem Stuhl in sich zusammen, ihr Kopf fiel auf Deans Schulter. Sie schien eingeschlafen zu sein.

Kubera nickte stumm und musterte die Gegend genau. Er wusste, wer unter all den Dämonen hier noch war. Sie versteckten sich, doch am Ende kam es auf das Gleiche heraus. Auf einmal ertönte eine tiefe Stimme in seinem Kopf. ,,Warum kommt ihr nicht zurück? Wir haben das Tor extra für euch offen gelassen, Prinz." Kubera knurrte wütend und seine Pupillen verformten sich zu Schlitzen, seine gesamte Aura verfärbte sich immer dunkler. Mit einem Mal sah er gar nicht mehr so aus wie der Kubera, der er vor einer Stunde noch war. Allerdings, der Grund dafür, war diesmal, dass er seine Freunde beschützen wollte, ja, in diesem Moment sah er selbst Dean als Freund. Ihr seid so feige, dass ihr euch vor mir versteckt!

Dean folgte Jen's Blick nach draussen und fixierte den Dämon und den Engel kurz mit dem Blick. Es war seltsam, die beiden zusammen zu sehen, wie sie beide anscheinend dem gleichen entgegensahen. Auch er wurde von der vielen Energie etwas schläfrig, doch lange nicht so wie Jen. Als ihr Kopf auf seine Schulter fiel schnellte sein Blick zurück zu ihr und er rückte mit seinem Stuhl etwas näher an sie, dann legte er seine Hand beruhigend auf ihren Hinterkopf und sah sie an. "Alles okay..." murmelte er.

Ambryal straffte die Schultern. Wenn jemand ihre Flügel sehen konnte, dann war es der König - und eben der Prinz, wenn er sich genügend konzentrieren würde. Ihre Sinne waren scharf genug und ihre Aura stark, um die Flügel wahrzunehmen - und das würde den König garantiert auf sie aufmerksam machen. Ambryal nahm das wütende Knurren des Dämons wahr, blieb selbst jedoch stumm und konzentrierte sich. Sie wusste, würde ersteinmal ein Dämon die Wand durchbrechen, würden alle nachkommen; und wie auf Kommando raste ein Dämon aus einer Gasse auf den Engel zu. Sie drehte sich geschickt und der Gegner sprang direkt in die Klinge, verzischte, und löste sich in schwarzem Staub oder Rauch auf.

Kubera drehte sich ebenfalls um und folgte Klinge und Dämon mit dem Blick. Er zischte ebenfalls, ein wenig aus Mitleid für den Dämonen, ein wenig aus Angewohnheit. Er musste sich allerdings sofort wieder umdrehen, denn fast gleichzeitig griff der Nächste von der anderen Seite her an. Kubera wirbelte herum und stieß den Dämonen zur Seite. Seine Stimme hallte in seinem Kopf wieder. ,,Was denn? Warum tötest du mich nicht? Bist du etwa zu schwach, oder willst du in Wirklichkeit sogar zurück zu uns?" Er grinste spöttisch. ,,Bastard, sei still!", knurrte der Prinz zurück, allerdings kam er sich schon ein wenig verunsichert vor. Er ließ sich etwas anderes einfallen. ,,Ambryal, ich wehre sie ab und du erledigst sie dann! Ok?" Es war eigentlich keine Frage, sondern ein Befehl. Er konnte sie nicht umbringen. Er war zu schwach, doch zum schwächeln blieb jetzt keine Zeit.

Ambryal zog ihre Klinge aus dem Staub zurück, dann wirbelte sie zu Kubera um, der schon einen Vorschlag aussprach. Es gefiel ihr nicht ganz, lieber wäre ihr es anders, da sie befürchtete, Kubera könnte unter Einfluss gegebenenfalls doch noch die Seiten wechseln und möglicherweise sie angreifen, gleichzeitig wusste sie, dass es anders nicht ging. Mit einem knappen Nicken stieß sie die Klinge nach vorn, ihre Flügel hatte sie wie einen Schutzkäfig um sie und Kubera ausgebreitet. Vielleicht schaffte sie ja durch die Energie ein wenig Abwehr. Würde des Dämon seine Aufmerksamkeit darauf richten, würde er den Schutz garantiert leicht spüren oder sogar sehen. Sie schnitt dem Feind die Kehle durch, dann warf sie einen raschen Blick auf den Prinzen an ihrer Seite. Immer mehr Dämonen kamen auf sie zu, manche schnell, manche langsam, aber allesamt seltsam geordnet, als würde im Herzen der Ansammlung das Böse warten - In Form des Königs.

Kubera merkte, dassbsie von seinem Vorschlag nicht sehr begeistert war, er würde es auch anders.machen, wenn es ginge. Er spürte ihre Energie um ihn herum knistern, er konzentrierte sich aber nicht darauf, weshalb er ihren Flügel nicht sah. Ohne weiter zu zögern, schickte er eine Druckwelle auf die Dämonen ab, die ihnen am nächsten waren. Mit zusammengebissenen Zähnen ertrug der Dämonenprinz die schallenden Gelächter in seinem Kopf. Es war klar, er zweifelte an seinem Versprechen, dass er Ambryal indirekt gegeben.hatte. Allerdings, würde er so tun, als ob er gegen den Engel kämpfte, würde ihn seine Familie vielleict wieder aufnehmen. Wenn er dann erst Dämonenkönig war - ob er nun wollte.oder nicht - konnte er alles von Grund auf verändern und in diesem Falle sein Versprechen doch noch einlösen.

Ambryal konzentrierte sich darauf, den Schutzwall aufrecht zu erhalten und die Dämonen, die ihnen zu nahe kamen oder die Kubera zurück schleuderte, niderzustrecken. Sie bewegte sich flink, merkte aber deutlich, wie geschwächt und unsicher sie war. Klar, die Verbindung zum Himmel war abgebrochen und sie fühlte sich fast schon, als wäre sie gefallen, ausserdem empfing sie so keinerlei Aufträge oder Befehle. Sie schlickte, warf einen Blick auf den Prinzen neben ihr und in diesem Moment der Unaufmerksamkeit stützte eine unglaubliche Dunkelheit auf sie. Von der unmittelbaren Berührung des Dämonenkönigs wurde ihr schwindelig und sie brauchte einen Augenblick, bis sie sich wieder gefasst hatte, doch dieser Augenblick war schon zu viel. Die Klinge traf klirrend auf den Boden und der Schutzwall brach. Ambryal keuchte, als sie spürte, wie sie weggezogen wurde und sich gleich zeitig die Spitze einer dämonischen Klinge ihren Herz näherte. "Zu spät."

Kubera drehte sich ruckartig um und versuchte, den Engel noch mit den Fingern zu fassen, doch es war zu spät. ,,Ambryal!" Ohne wirklich weiter zu überlegen, sprang er ihr nach und direkt vor die Klinge des Dämonenschwertes seines Vaters. Noch bevor dieser zurückziehen konnte, hatte Messers Schneide das Herz des Prinzen durchbohrt. Er sackte in sich zusammen. "Du Dummkopf!, hörte er zum letzten Mal die Stimme, die er so sehr verachtet hatte. "Stirbt, um einen Engel zu schützen. Ein Tod, wie es einem Verräter der Dämonenwelt würdig ist!" Doch er hörte kein Lachen. Hatte der König etwa vermutet, Kubera könnte nach so langer Zeit im Asyl froh sein, wieder zurückkehren zu können? Tja, vielleicht war das so. Vielleicht wäre er aber auch niemals auch nur mehr in die Nähe eines anderen Dämonen gegangen. Jetzt war es jedenfalls zu spät. Das einzige Lachen, was er hörte, kam von den anderen Dämonen.
Ein letztes Mal hob Kubera seinen Kopf, sah in die schönen Augen des Engels vor ihm. Ein letztes Mal lächelte er ihr zu. "Ich hoffe, ich konnte ein würdiges Opfer bringen...", hauchte er aus, dann fiel er nach hinten um und sein Kopf kippte zur Seite. Das letzte was er hörte, war das Gelächter, welches er so laut empfand, dass er befürchtete es würde ihm bis in den Tod begleiten.