Vampire Tales

Ambryal hörte nicht auf Kubera's Worte. Dass ihre Auftagspersonen sich verbal oder sogar körperlich wehrten, kannte sie schon und sie wusste, dass es am besten war, nicht darauf einzugehen, zumindest wenn die Zweifel von der Person selbst kam. Dass das Mädchen in dem Dämon einen Freund sah war jedoch neu und Ambryal wollte das auch nicht so ganz verstehen, Liebe war eher ein Bereich des Engels Amor - wie die Sterblichen ihn nannten. Ambryal ließ die Engelsklinge sinken, die Hand ebenso, und drehte sich zu Jennifer um. "Der Dämon gehört nicht auf die Erde. Ihr steht alle unter unserem Schutz, dem Schutz des Herrn." Ihr Gesichtsausdruck war weise und irgendwie schien ihre menschliche Hülle sich langsam zu verändern, klar, Menschen vertrugen eine solche Energie meistens nicht, es schadete ihnen, auch wenn man das kaum zu glauben schien. Ambryal drehte sich wieder zu Kubera um und schaute ihm tief in die Augen, ohne auch nur den Blick abzuwenden.

"Spinnerin." knurrte Dean leise auf das Gerede des Engels hin. Er war ein Wesen der Dunkelheit, es war klar, dass ihn dieses Himmels-Gerede nicht sonderlich ansprach, trotzdem war es ihm mehr als Recht, dass Kubera sterben sollte, noch dazu durch Engelshand. Als Jen sich vor ihn schob, starrte er sie an, knurrte bei ihren Worten und schüttelte den Kopf, dann legte er die Hand auf ihre Schulter. "Ich hätte nicht gern einen Engel des Herrn als Feind, also hör auf damit." zischte er.

,,Aber er tut doch niemanden was!", beharrte Jen, ohne Dean zu beachten. Stimmt, ein Engel aus Feind könnte nicht sonderlich toll werden, allerdings konnte sie sich nicht vorstellen, dass Kubera - Dämon hin oder her, wirklich auf die Erde kam um jemanden zu schaden. Als er sie entführt hatte, hatte er ja auch nicht vor, sie zu verletzen, jedenfalls hat er das behauptet. Und der Kampf gegen Dean war nicht seine Schuld, er hat sich schließlich nur gewehrt.
Kubera nickte bei Jen's Worten fieberhaft, das war aber auch das einzige, was er tat. Mit Ambryal war nicht zu spaßen, das wusste er schon und wehren wollte er sich auch nicht großartig. Wenn er das tat, hatte er den ganzen Himmel als Feind, wenn er das nicht schon hatte, und das wollte er um jeden Preis vermeiden.

Ambryal seufzte über die Blindheit des Mädchens. "Du zweifelst an der Richtigkeit der Entscheidung unseres Herrn?" fragte sie, sah jedoch weiterhin ungerührt in Kubera's dämonische Augen. Natürlich spürte sie, dass auch der Vampir in diesem Raum böses im Sinn hatte, doch das sollte jetzt nicht ihre Angelegenheit sein, sie konzentrierte sich auf den Dämon. "Ausserdem..." Ihre helle Stimme klang klarer als zuvor "Ist ist es nicht nur das, was er hier zu tun versuchen wird, sondern auch das, was er bereits getan hat." Natürlich hätte Ambryal Kubera einfach zurück in die Hölle schicken können, doch ihn zu vernichten schien ihr eine viel humanere Methode, immerhin würde er ewig in der Hölle seine Zeit verbringen und der Tod wäre eine Erlösung für ihn - und schließlich war sie kein Racheengel. Sie hielt die Klinge immernoch in der Hand, schloss kurz die Augen und hielt sie wieder an Kubera's Brustkorb. "Vertrauen, Mädchen, er hat dir nichts erzählt, nehme ich an..." meinte sie an Jennifer gerichtet.

Jen sah zuerst Ambryal, dann Kubera verwirrt an. ,,Was meint sie...?", fragte sie ihn vorsichtig. Dass er ein Geheimnis hatte, das wusste sie ja. Er hat sich schon bei ihrer ersten Begegnung so seltsam verhalten, trotzdem konnte sie sich nicht allzu schlimmes vorstellen.

Kubera sah herüber zu Jen, dann ließ er den Kopf sinken. Klar, sie verlangte eine Erklärung, aber die würde er ihr nicht geben, nicht freiwillig. Erst recht nicht vor Dean, der schließlich immer noch im Raum stand. Sie würden es nicht verstehen, und wenn doch, dann nicht seine Absichten. Wenn er ihnen etwas sagte, würden sie sich von ihm entfernen. Das wollte er nicht, sie... naja, nur Jen, war die einzige Freundin, die er hier gefunden hatte. Dean zählte nicht.

Ambryal schüttelte leicht den Kopf und beobachtete, wie Kubera den Kopf sinken ließ. Sie verstand die Menschen nicht, auch Dämonen waren ihr ein Rätsel. Ihr, als Engel des Herrn, war es nicht gestattet, zu lügnen, Dämonen und menschliche Wesen jedoch lügten tagtäglich wie gedruckt und fanden immer wieder die verschiedensten Begründungen. Liebe und Hass, Freundschaft oder Neid, Angst und sogar Mut, dabei war es doch so viel einfacher, einfach die Wahrheit zu sagen. Dass diese schmerzen konnet, war dem Engel jedoch nicht bewusst. "Du kannst es ihnen noch sagen, Kubera, dann muss ich dich vernichten."

Dean verstand dieses ganze Getue nicht. An der Stelle des Engels hätte er Kubera schon längst umgebracht, aber es lag auf der Hand, dass Ambryal zwar sehr sehr sachlich war, gleichzeitig aber auch ein wenig Taktgefühl hatte und wenigstens versuchte, mitzufühlen. Seltsame Engel. Doch auf eine Erklärung wäre er jetzt auch gespannt.

Kubera hob den Kopf und sah erst Jen, dann Ambryal mit ernstem Blick an. ,,Dann ist es wohl besser, ich sterbe vorher." Er sah wieder auf die Klinge und machte sich bereit, da Jen sich wieder einmische. ,,Sag uns doch erst, was los ist, vielleicht gibt es ein Missverständnis, oder...!" Kubera schüttelte den Kopf und unterbrach sie: ,,Ich will davon nichts mehr wissen!" "Es ist Vergangenheit. Ich bin das nicht mehr. Aber ich kann es nicht rückgängig machen." Er schüttelte leicht den Kopf. Strafe muss sein. Ich hab den Tod verdient.
Unfähig, noch etwas zu sagen, starrte Jen den Dämon an. Was konnte so schlimm sein, dass er den Tod verdiente? Verzweifelt sah sie Dean an, hoffte, er würde ihr zuliebe auch mal was sagen.

Ambryal erwiederte den Blick des Dämons und nickte auf seine Aussage hin. "Gut-" das Mädchen unterbrach sie und wurde dann von Kubera unterbrochen. Als beide wieder still waren, drehte Ambryal die Klinge in ihrer Hand, sodass die Spitze wieder nach unten zeigte, dann drehte sie sich zu Jennifer und Dean um, starrte beide an, ohne den Blickkontakt ab und zu zu unterbrechen - Wie die Menschen es höflicherweise taten, Engel jedoch hielten den Augenkontakt fest und unerschütterlich. "Er ist der Sohn des Königs der Dämonen, rechtmäßiger Thronfolger, jedoch fand er Gefallen an der zerbrechlichen Menschenwelt. Viele fürchteten ihn, selbst seine Artgenossen suchten das Weite, wenn sie seine Bahnen kreuzten und niemand wagte es, in seine Augen zu schauen." Sie legte die Stirn leicht in Falten und verlieh ihrem fast elfenähnlichen, jung aussehendem Gesicht einen strengen Ausdruck. "Natürlich war ihm nicht gestattet, die Menschen mithinein zu ziehen, doch der Dämon stoppte nicht. Die Gier wuchs heran, Kämpfe wurden ausgetragen, Blut wurde vergossen und Kubera schließlich verband und jetzt muss sich eben ein Engel darum kümmern." Sie unterbrach den Blickkontakt, indem sie zur Seite ins Nichts starrte. "Lüge über Lüge, Kubera, dein Gewissen muss dich doch plagen." Sie drehte sich um und setzte an, ihm die Klinge durch die Brust zu stechen.

Dean hörte stumm zu, jedoch tobte in ihm ein leichtes Gefühl der Macht. Er hatte geahnt, dass dieser Dämon nichts gutes im Sinne hatte, und das war auch der Grund dafür, dass er nichts unternahm, als der Engel, der eigentlich viel zu zerbrechlich aussah, began, dem Dämon die Klinge durch die Brust zu jagen.

Kubera schüttelte nur den Kopf. ,,Ich will davon nichts mehr wissen!", rief er. ,,Nun mach schon!" Dieser Engel empfand kein Mitgefühl. Ambryal tat nur das, was ihr befohlen wurde und was sie selbst auch für richtig hielt. Sie konnte nicht wissen, DASS er Reue empfand, ja sogar sehr viel. Wenn er alles rückgängig machen könnte, seine Herkunft verändern, vielleicht sogar seine Geburt verhindern könnte, er hätte es getan. Er wehrte sich nicht, als die Klinge durch sein Gewand hindurch seine Haut berührte und diese verbrannte, er zischte lediglich kurz durch geschlossene Zähne. Ja, er, Kubera Malphas Samael, hatte es verdient, für seine Taten zu büßen. Jen würde es wahrscheinlich nicht verstehen. Sie war zu gutherzig, um das zu verstehen. Seltsamerweise hatte ihr Gesicht einen ganz ruhigen Eindruck. ,,Dann tötet ihn.", sprach sie schließlich in einem Ton, den Kubera bei ihr noch nie gehört hatte. ,,Allerdings ändert es dann auch nichts an dem, was er getan hat."

Jen wollte wirklich nicht, dass Kubera starb, was auch immer er getan haben soll. Sie redete einfach drauf los, ohne einen bestimmten Plan, allerdings glaubte sie, jetzt einen Weg gefunden zu haben, ihn zu retten. Sie ging langsam in dem kleinen und nun auch noch vollem Zimmer auf und ab und redete weiter. ,,Wenn er allerdings am Leben gelassen werden würde, könnte man einen anderen Weg finden, ihn büßen zu lassen. Vielleicht einen schmerzhaften..." Sie hielt eine kurze Pause ein. ,,Vielleicht einen unangenehmen Weg, aber möglicherweise gibt es einen." Sie ignorierte den Blick des Dämonen, der ihr stumm befahl, aufzuhören. Sie hielt an und sah zu Ambryal. ,,Es wäre ein Gewinn für euch beide - ohne dass einer sterben muss."

Ambryal stoppte in der Bewegung und hielt die Engelsklinge fest in der Hand. "Dann hätte der Herr einen Rachenegel geschickt." erklärte sie ruhig. Sie lächelte leicht, schüttelte den Kopf und blickte dann kurz zu Jennifer. Weisheit und Kälte lag in ihrem Blick, gleichzeitig Unwissenheit. "Allerdings..." In einer geschickten Bewegung hatte sie die Klinge aus Kubera's Fleisch gezogen und in ihrem Ärmel verschwinden lassen. "Ist es eine Strafe für einen Dämon, auf Erden zu sein." Sie verschwand, das einzige was man hörte, was ein Flügelschlag.

Dean hielt die Luft an, als der Engel innehielt. Er verstand ihre Worte nicht ganz, noch irritierter war er, als Ambryal einfach verschwand. Hatte sie schon genug? Das Jen so verbittert um das Leben des Dämons feilschte, versetzte Dean einen Stich, doch er schwieg wie immer.

Nach einigen Sekunden, vielleicht einer Minute, fand sich Ambryal wieder in dem Hotelzimmer. Für die menschlichen Wesen - und den Dämon - war sie nicht lange weggewesen, doch die Zeit hier verging anders als bei den Engeln, und das konnte man ihr ansehen. Sie sah älter aus, als vor wenigen Momenten noch, trotzdem war sie die gleiche und achtete auch nicht auf den Zustand ihrer Hülle. "Der Herr lässt Gnade walten." flüsterte sie mit geschlossenen Augen, dann öffnete sie diese und sah den Dämonen an. "Kubera, es ist dir erlaubt, am Leben zu bleiben, doch du musst dich beweisen, indem du Opfer bringst." Mehr erklärte der Engel nicht.

Kubera atmete erleichtert auf, als Ambryal ihre Waffe zurücksteckte und verstand. Dass Jen aber auch nie aufgab! Als würde sie alles bekommen, was sie wollte. Er fuhr sich mit der Hand über die Stelle, in die der Engel ihn gestochen hatte. Es brannte wie die Hölle und würde sicher um einiges länger dauern, zu heilen, als normale Verletzungen. Immerhin war es eine geheiligte Waffe gewesen. Gerade wollte er Jen seinen Dank aussprechen, da tauchte Ambryal wieder auf. Er war nicht wirklich begeistert, wenn auch indirekt Gottes Segen zu erhalten - es verletzte seine Würde als Dämon nur noch mehr. Allerdings war es ihm lieber, als sofort zu sterben. Oder? ,,Und... was genau meint der Herr mit Opfer?" Wollte er etwa, dass er ihm Menschen opferte? Naja, das konnte er, aber Gott würde so etwas doch nie verlangen.

Jen sah zu, wie die Engelin verschwand. Dass ihre Worte Wirkung gezeigt hatten, machte sie ungewöhnlich stolz. Allerdings war es noch nicht vorbei, denn Ambryal kam wieder. Dass sie sich verändert hatte, viel Jen allerdings gar nicht auf. Dass Dean nicht begeistert war, viel ihr auch nicht auf. Sie beachtete ihn gar nicht. Er hatte ihr schließlich nicht geholfen, Kubera zu verteidigen, was sie ganz schön sauer auf ihn machte, aber sie konnte wenigstens vergessen.

Ambryal sah sich unter den Anwesenden um, als Kubera das eben gesagte hinterfragte. Mit ausdruckslosem Gesicht sah sie ihn an, blinzelte, bevor sie ihm antwortete. "Du sollst dich aufopfern. Auf etwas verzichten, damit jemand anderes besser lebt." Auch ihre Stimme hatte sich leicht verändert, immerhin sprach sie durch die Stimmbänder ihrer Menschenhülle. Sie ließ den Blick zur Seite gleiten und fixierte die Wand mit einem Blick, den man nicht deuten konnte.

Dean schnaubte und rollte mit den Augen. Super. Naja, wenigstens würde der Engel bald wieder verschwinden. Es würde furchtbar nervend sein, einen Engel an der Seite zu haben, der sich nicht mit den Menschlichen Sitten auskannte, das taten Engel nämlich nicht, dazu beschäftigten sie sich zu wenig mit ihren ach-so-wertvollen-Menschen. Dass Jen sauer auf ihn war, konnte er ahnen, doch langsam wurde ihm klar, dass der Dämon ihr mehr bedeutete.

Kubera schluckte, als er das hörte. Seine Würde als Dämon war jetzt jedenfalls völlig zerstört, falls er denn überhaupt noch welche gehabt hatte. Sollte er jetzt frierenden Leuten den Mantel reichen? Er ließ von sich selbst enttäuscht den Kopf hängen und murmelte etwas wie: ,,Was für eine Sünde..." In diesem Fall wäre er lieber gestorben, so viel stand fest. Warum hatte Jen auch nicht ihre Klappe halten können!? Kubera hatte vielleicht nicht mehr die bösesten Gedanken von allen Dämonen, dennoch gehörte er dazu. Wenn Ambryal nicht aufgetaucht wäre, wäre er vermutlich nach der Regeneration seiner Kraft in die Dämonenwelt zurückgekehrt, das konnte er jetzt wohl abblasen lassen.

Jen hörte sich die Bedingung des Engels genau an, ließ sie auch mehrere Male in ihren Gedanken widerklingen. Auf diese Weise sollte er nun also leben. Das hieß also auch keine Kämpfe mehr zwischen ihm und Dean. Obwohl Kubera nicht gerade begeistert aussah. Klar, er war ein Dämon, sozusagen im Auftrag Gottes zu handeln war allein schon eine große Bestrafung für ihn. Und dann auch noch Menschen helfen? Jen wusste zwar nicht, was so schlimm daran war, dennoch hatte sie ein wenig Mitleid mit dem Dämon. Aber was sollte sie tun? Sie hat ihn schließlich in diese Lage reingeritten... oder?

Ambryal's Gesicht blieb ausdruckslos, selbst, als Kubera sein Los als Sünde bezeichnete. Sie starrte stumm vor sich her, als hätte auch sie etwas zu bemängeln, jedoch meldete sie sich nicht zu Wort, blieb lediglich ordentlich und mit kerzengerader Haltung im Raum stehen, von der Engelsklinge war vorerst keine Spur mehr. Als Stille eintrat hob sie dann jedoch die ruhige Stimme. "Der Himmel hat euch im Auge, es gefällt den Engeln nicht, was ihr tut." sagte sie und hob den Blick dann zu Jennifer. Sie blickte dem jetzt jüngerem Mädchen in die Augen, als wollte sie ihr mitteilen, vorsichtig zu sein, jedoch sagte sie nichts dazu. "Ich werde einen Schutzengel schicken, der Acht gibt, ob Kubera Folge leistet. Ich würde ja selbst darauf achten, jedoch..." Sie hielt inne und schüttelte den Kopf.

Dean wendete den Blick von den Dämon ab, musterte kurz den älter wirkenden Engel und drehte sich dann schnaubend um. Es war seltsam, im Raum mit Himmel und Hölle zu sein, die Luft knisterte schon fast vor Spannung, ausserdem standen dieser Engel und der Dämon im Gegensatz zueinander, auch wenn der Engel seltsamerweise ebenfalls grausam wirkte. Bei den Worten von Ambryal runzelte Dean die Stirn. Wäre es nicht besser, wenn sie bleiben würde? Zumindest für Jen und Kubera wäre es ratsam, Dean dagegen fühlte sich unbetroffen und mischte sich deshalb nicht ein. Würde Jen merken, dass es unvorteilhaft wäre, einen Schutzengel da mithinein zu ziehen, da dieser Aufträge sofort ausführte, dann sollte sie etwas dazu sagen - Schutzengel hatten nämlich im Gegensatz zu Engeln oder Erzengeln kein Gewissen, dass sie plagte.

"Ich brauch keinen Aufpasser.", dachte sich Kubera, widersprach allerdings nicht. Auch er hätte es lieber, wenn Ambryal das übernehmen würde, wenn überhaupt. Obwohl, wenn er auch nur eine für sie unpassende Bewegung machte, könnte er schon tot sein. Ein Schutzengel würde im Himmel Bescheid geben, das würde ihm Zeit geben, zu fliehen. Oder? Und wenn Schutzengel nicht zögerten? Dann wollte er doch lieber Ambryal, immerhin konnte Jen sie um den Finger wickeln.

Jen ging einen Schritt auf Ambryal zu. ,,Warum kannst du denn nicht?", fragte sie, und verfluchte sich selbst, dass sie immer alles aussprach, was sie dachte. Aber hin und wieder hatte diese Angewohnheit ja auch geklappt, sie würde nur unvorsichtig, wenn sie sich immer darauf verließ. Irgendwann würde sie mal was falsches sagen, das wusste Jen, und dann ging alles schief.

Ambryal hob das Kinn, als Jennifer auf sie zutrat. Der Nachteil an Ambryal war schlicht und einfach, dass sie immer die Wahrheit sagte, gerade heraus, ob sie wollte oder nicht - Ausser es betraf eben Spiongründen oder sonstigem. "Wir hatten Probleme, Kubera und ich." erklärte sie sachlich, bevor sie dem Dämon einen Blick zuwarf, dann aber zurück zu Jennifer sah. "Wir Engel mussten uns wegen ihm zurückziehen. Hätte ich die Lage nicht entschärft, wäre Krieg ausgebrochen." trotz dem Inhalt ihrer Erzählung blieb ihr Blick locker und fast ausdruckslos. "Ausserdem hält meine Hülle nicht stand. Ich habe zu viel Energie für einen Sterblichen."

"Was versuchst du so verzweifelt, ihn zu retten?" zischte Dean genervt an Jen gerichtet. Er verstand es nicht, bei ihm hätte Jen doch auch nicht einen solchen Aufwasch gemacht, und der Dämon hatte verdient, was ihm blüte - Dumm nur, dass Dean ihn in Gegenwart eines Engels nicht umbringen konnte.

,,Warum denn nicht?", zischte Jen zurück. Was war so schlimm daran, einem Freund zu helfen? Und was für ein Problem hatte Dean damit? Dass sie Kubera als Freund ansah, hatte er wohl noch nicht begriffen. Sie fragte sich auch, ob er das jemals begreifen würde, was 'Freundschaft' überhaupt heißt. Jen versetzte es einen Stich. Wusste sie überhaupt selbst, was das heißt? Sie hatte schließlich noch nie einen Freund gehabt.

Kubera schüttelte den Kopf. Nicht nur Jen plapperte immer alles raus. Warum packte immer nur ihn das Pech? Damals sowie heute. Und nie schaffte er es, sich selbst rauszureden. Wäre Jen gewesen, wäre er jetzt tot. Aber er müsste sich auch nicht vor dem Himmel rechtfertigen. Wie auch immer, jetzt war es zu spät zu sterben. Zögernd ging er einen Schritt von Ambryal weg. In ihrer Nähe fühlte sich seine Kraft einfach nicht so, wie sie eigentlich sein sollte. Licht und Dunkel gehörten vielleicht zusammen wie Blitz und Donner, aber vertrugen sich nicht. Punkt.

"Hast du doch gehört." antwortete Dean und schnaubte, dann zuckte er mit den Schultern. "Mach doch was du willst." Der Satz war draussen, bevor er nachgedacht hatte, und irgendwie hatte er mehr Bedeutung, als er hätte zugeben wollen. Er hatte Jen gerade von sich distanziert, sich praktisch frei gesprochen, dass er nicht mehr für sie verantwortlich war... War er das denn überhaupt gewesen? Mit einen Kopfschütteln wendete er sich von dem Geschehen ab.

Ambryal bekam keine Antwort, erwartete jedoch auch keine, sie hatte ihre Entscheidung neu gefällt. "Gut, ich werde aufpassen, solange mein menschliches Äußeres standhält." beschloss sie und sah sich in dem Hotelzimmer um. Es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis der Mensch, in dem sie momentan hauste, sterben würde, auch ein Beispiel für die Grausamkeit der Engel. Ein Leben war in ihren Augen weniger wert als viele. Sie merkte, wie Kubera sich entfernte, beachtete es jedoch garnicht, sondern sah Jennifer durchdringend an. Ambryal wusste, dass sie sich nicht mit menschlichen Sitten auskannte, also konnte sie auch nicht wissen, was man tat und was nicht. Bestimmt würde das noch zu Schwierigkeiten in der Öffentlichkeit sorgen, denn in ihrem menschlichen Wirt konnten die Sterblichen sie wohl sehen, doch darum machte sich der Engel jetzt keine Sorgen.

Ein lautes Knurren durchbrach erneut die Stille. ,,Tut mir leid...", meinte Jen vorsichtig. Sie sah sich nochmal im Raum um, dann machte sie kehrt und lief zur Tür. ,,Ich bin sicher, unten gibt es Essen... Ich, ähm, geh dann mal..." Sie wollte nicht unhöflich wirken, indem sie einfach das Zimmer verließ, aber wenn sie nicht bald etwas aß, würde sie womöglich verhungern.

Kubera sah zu, wie Jen das Zimmer verließ. Sie konnte ihn doch jetzt nicht mit den beiden allein in einem Zimmer lassen! Einer von beiden würde ihn bestimmt umbringen, Jen war doch sowas wie seine Lebensquelle. Doch so einfach mitgehen konnte er nicht, vor ihm stad immer noch Ambryal und Tür Dean, selbst ein Bett stand im Weg. Die einzige Möglichkeit war Teleportation, aber das würde hier wahrscheinlich eine Menge an Kraft brauchen, die er noch nicht wiedererlangt hatte. Es war besser, er ließ es bleiben, wartete auf eine Reaktion der anderen. Zur Not würde er halt seine ganze Kraft verbraten, aber nur im letzten Moment.

Dean wurde von Jen's Worten aus den Gedanken gerissen, sah ihr einen Moment lang hinterher und setzte schon dazu an, ihr zu folgen, errinerte sich jedoch an seine Worte und ließ es bleiben. Sollte der Dämon doch auf sie aufpassen, es war sowieso Vormittag, da konnte Dean nicht wirklich aus dem Zimmer raus. Er setzte sich auf die Bettkante, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und die Hände in den Haaren vergraben.

Ambryal verstand das ganze Chaos nicht, jeder schien weniger Lebensenergie zu haben, als hätte Amor seinen Schuss verfehlt - und er verfehlte nie. Sie drehte sich um, musterte Kubera noch kurz und sah ihm dann tief in die Augen, diesmal ernsthafter, als hätte sie Jennifer etwas verschweigen wollen. "Lektionen." flüsterte sie schlicht, bevor sie mit einem Flügelschlag verschwand. Das Los des Engels; wurde ihre Hülle schwächer, war ihre Arbeit erschwert. Fehlte der Lebensgeist also ganz, hieß das, dass die Hülle nicht schwächeln konnte? Es war nicht schwer, eine Sterbliche zu finden, diese jedoch war nicht tot, sondern lag im Koma - Und Ambryal spürte, dass sie nicht aufwachen würde, also tat sie ihr sogesehen sogar einen großen Gefallen. Es war etwas ungewohnt, auch wenn Ambryal kaum auf ihr Äusseres achtete, doch sah diese Version ihrer selbst viel lebhafter aus, als die vorherige, die fast schon ein Puppenähnliches Gesicht gehabt hatte.
Die langen braunen Haare des Engels wehten etwas im Wind, als sie sich vor dem Hotelgebäude widerfand. Einige Sterblichen schauten verwundert über ihr plötzlich Auftauchen, doch Ambryal lächelte nur.

Kubera ging einen kleinen Schritt zurück und lächelte nervös, als Ambryal ihm direkt in die Augen sah, beruhigte sich aber wieder, als sie verschwand. Lektionen... ja, das war eine Lektion, allerdings eine Lektion, die nicht mehr vonnöten war... Oder? Wie auch immer, jetzt war nur noch Dean im Raum, und an ihm kam Kubera leicht vorbei. Körperlich war er ungefähr genauso stark wie Dean, das hatten sie ja mehrfach festgestellt. Mit erhobenem Kopf schritt der Dämon an dem Vampir vorbei und schenkte ihm keines Blickes.
Unten begegnete er den vielen seltsamen Blicken der Menschen, die im Essensraum saßen und frühstückten. Er entdeckte Jen, die schon an einem der Tische saß und aus dem Fenster starrte, ohne die Menschen weiter zu beachten ging er auf sie zu. Sie hatte noch nichts bestellt und schien ganz in Gedanken versunken. Er setzte sich einfach auf die andere Seite des Tisches, ihr gegenüber.

Dean ignorierte den Dämon ebenso, schloss die Augen und ließ sich zurückfallen, dann war er auch schon eingeschlafen. Nachteil, er schlief tagsüber, Jen normalerweise nachts und weder Engel noch Dämon schliefen überhaupt.

Ambryals Lächeln verflog und sie spürte wieder die Präsens des Dämons. Sie ging mit zu stolzem, fast schwebend wirkenden Schritten auf das Hotel zu, öffnete die Tür und trat ein, dann ging sie schnurstracks auf Jennifer und Kubera zu. Dass diese - oder zumindest Jennifer - sie nicht erkannten, war ihr so gut wie gleichgültig. Sie blieb vor dem Tisch stehen, eine seltsame Aura umgab sie, den Blick hatte sie fest auf den Dämon gerichtet und die Blicke der Sterblichen ignorierte sie.

Jen schreckte auf, als sie das Geräusch des Stuhls von gegenüber hörte, regte sich aber wieder ab. Es war nur Kubera, der sich hinsetzte. Sie nickte ihm zu. Nach einer kurzen Pause kam eine Frau ins Hotel zurück, die Jen zuerst nicht beachtete, sie aber ansah, als sie sich zu ihnen setzte. Sie war hübsch, allerdings konnte sie sich nicht erinnern, diese Frau je gesehen zu haben. Kubera allerdings, schien sie zu kennen, denn sie starrte ihn die ganze Zeit an, und er nach einer Weile auch sie. Nur kurz, dann sah er wieder weg. ,,Entschuldigung...", fragte Jen vorsichtig. ,,Können wir ihnen helfen?"

Kubera versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, als Ambryal durch die Vordertür des Hotels trat und sich zu ihnen setzte. Er spürte ihren heißen Blick und ihre pulsierende Aura eines Engels, Jen schien sie allerdings nicht zu spüren oder wenigstens nicht wiederzuerkennen. er warf kurz einen prüfenden Blick auf den Engel, ja, sie sah anders aus. Schnell sah er wieder weg. Sie machte ihn nervös, es war schon schlimm genug, dass die Menschen ihn für seltsam hielten, aber Ambryal machte alles noch schlimmer. Jen riss ihn aus seinen Gedankengängen. Er drehte sich zu ihr um. ,,Das ist Ambryal!", flüsterte er herüber.

Ambryal lehnte sich leicht nach vorn, als die beiden anderen ihrem Blick auswichen. Jennifer erkannte sie nicht wieder, fast wie erwartet, Kubera jedoch klärte die begabte Sterbliche auf. "Ganz recht." antwortete sie und lächelte leicht, dann wurde ihr Gesichtsausdruck wieder ernst. Sie legte die Hände auf den Tisch, dann schüttelte sie den Kopf. "Die Sterbliche hier lag im Koma, sie wird nicht altern wie die erste." Sie achtete nicht auf die Lautstärke ihrer Stimme, die den gesamten Raum durchdrang. Engel eben. Ihre Lederjacke schimmerte, als hätte sie im Regen gestanden, die Farben des violetten Tops darunter jedoch war kräftig, fast schon unnatürlich. "Was tun wir hier?" Ihr Blick schnellte zu Jennifer, dann zurück zu dem Dämon. Dass ihr Verhalten seltsam in den Augen anderer war, konnte sie nicht wissen.

Kubera reagierte nicht auf Ambryals Stimme, auch nicht, als sie nachfragte. Er wusste es selbst nicht ganz, sollte Jen doch alles erklären, sie wusste es besser. Zum Glück erklärte sie schon, um einiges leiser als der Engel, was es hiermit auf sich hatte. ,,Das ist ein Hotel, hier leben Menschen, die Urlaub machen oder..." Sie machte eine kurze Pause, dann sprach sie weiter: ,,Oder noch kein Zuhause hier gefunden haben." Kubera schüttelte den Kopf. Er hatte jedenfalls keinen Bock, ewig in diesem Menschenkaff zu verbringen. Aber richtig in einem Haus leben wollte er auch nicht. So begeistert er für eine kurze Weile von der Menschenwelt war, so schnell langweilte es ihn auch wieder. Dann blieb er lieber den Rest seines Lebens in der Dämonenwelt. Dort war seine Kraft auch nicht begrenzt. Was ihn auch wunderte, war, obwohl niemand es aussprach, wussten sie doch alle, dass sie, wenn sie denn eine Bleibe fanden, sie alle zusammenziehen würden. Er stellte sich Jen als ihre Mutter vor, am Herd, wie sie Spiegeleier brat, Dean als seinen großen Bruder, wie sie sich dauernd stritten. Aber das schlimmste, was er sich vorstellen konnte, war Ambryal als so etwas wie ihre Schwester anzusehen, wie sie ihn im Auge behielt, Tag für Nacht und Nacht für Tag...

Kubera schreckte hoch. er saß am Tisch im Hotel, gegenüber von Jen und neben Ambryal. Es schien nichts gewesen zu sein, als hätte er einen Alptraum gehabt, er konnte sich aber nicht erinnern, eingeschlafen zu sein. Er sah zu den beiden anderen herüber, aber sie unterhielten sich noch, als wär nichts geschehen. Verwirrt stützte er seinen Kopf auf den Arm und sah aus dem Fenster auf die Straße.

Ambryal bekam eine Antwort von Jennifer und hörte aufmerksam zu. Die drei hatten also kein zuhause, ausser das Hotel hier? Mitten unter den Sterblichen? Kein guets Versteck, oder eben das beste. "Und was gedenkt ihr, jetzt zu tun?" Irgendein Ziel mussten sie wohl oder übel haben, wobei Ambryal ja in irgendeiner Weise nur Zuschauerin war. Dass Kubera langsam ins Nichts glitt und einschlief, fiel ihr nicht auf, solange er ruhig und unauffällig blieb, musste sie keine Acht auf ihn geben. Als Kubera jedoch aus dem Schlaf schreckte, richtete sie den Blick auf ihn. Er sah aus dem Fenster, fast gelangweilt wirkte sein Blick, jedoch musterte Ambryal ihn genauer und lehnte sich leicht zu ihm, was ein leichtes war, da sie neben ihm saß. "Was geht in deinem Kopf vor..?" flüsterte sie.